Wasser kann Comfort Food sein
Essen und Trinken wirken schmerzlindernd, sofern der Geschmack angenehm ist
Schokolade ist gut gegen Schmerzen – genau wie ein Glas Wasser. Zu diesem überraschenden Ergebnis ist jetzt ein US-Forscherduo nach einer Studie mit Ratten gekommen. Fazit: Essen und Trinken dämpfen tatsächlich das Schmerzempfinden, und zwar immer dann, wenn der Geschmack angenehm ist. Bisher galt die Ansicht, dass nur süße, zuckerhaltige Nahrungsmittel eine schmerzdämpfende Wirkung haben. Vermutlich hilft die Kooperation zwischen Geschmackssinn und Schmerzempfinden Tieren in der Wildnis, die richtigen Prioritäten zu setzen, glauben die Forscher: Schmeckt etwas angenehm, sollte man seine volle Aufmerksamkeit auf das Fressen richten und sich nicht von etwas anderem ablenken lassen. Ist der Geschmack hingegen nicht angenehm, ist das Fressen vermutlich keine so gute Idee und sollte hintan gestellt werden. Beim Menschen wirkt sich der Zusammenhang dagegen wohl eher negativ aus.
Die Ratten in der Studie bekamen von den Forschern ein Stückchen Schokolade, eine zuckrige Lösung oder einen Schluck Wasser. Während des Verzehrs schaltete sich dann unter dem Boden des Käfigs eine Glühlampe an, die das Material erhitzte – eine schmerzhafte Situation, auf die die Ratten normalerweise mit einem schnellen Heben der Pfote reagieren. Waren sie jedoch mit der Schokolade oder den Getränken beschäftigt, verzögerte sich die Reaktion messbar, beobachteten die Wissenschaftler. Das ließ sich sowohl bei hungrigen als auch bei satten Tieren beobachten. Eine bittere Chininlösung, die die Ratten eindeutig widerwärtig fanden, hatte dagegen keinen Effekt.
Besonders aufschlussreich fanden die Forscher jedoch einen Test mit kranken Ratten: Der schmerzdämpfende Effekt trat bei diesen Tieren ausschließlich bei dem klaren Wasser auf – offenbar das einzige, was sie in ihrem Zustand als angenehm und wohltuend empfanden, so die Interpretation der Wissenschaftler. Im Gegensatz zur bisherigen Annahme sind es also nicht die Kalorien, der süße Geschmack, Hunger oder wenigstens Appetit, die für die Anti-Schmerz-Wirkung von Futter nötig sind. Lediglich ein angenehmer Geschmack und das Gefühl, die Nahrung tue dem Körper gut scheinen die Voraussetzung für den Effekt zu sein.
Während Tiere in der Wildnis wohl von dieser Verschaltung zwischen Schmerzempfinden und Geschmackssinn profitieren, hat sie für die moderne Gesellschaft vermutlich verheerende Konsequenzen, glaubt Autorin Peggy Mason: Das System habe sich entwickelt, um sicherzustellen, dass Nahrung vollständig verzehrt wird, wenn sie greifbar ist. In der heutigen Gesellschaft ist Essen jedoch praktisch immer und überall verfügbar und das bringe Menschen dazu, viel mehr zu essen, als sie eigentlich sollten. Mason sieht in der Entdeckung allerdings durchaus auch positives Potenzial: Da sich gezeigt habe, dass Zucker nicht notwendig für die schmerzlindernde Wirkung sei, könne man ein krankes Kind auch mit einem Glas Wasser statt mit einem Bonbon besänftigen – vorausgesetzt, der Effekt existiert beim Menschen in dieser Form überhaupt.
Peggy Mason und Hayley Foo (University of Chicago): Journal of Neuroscience , Bd. 29, Nr. 41