Meere: Korallen als Spürnasen für Hurrikane
Kieler Meeresforscher ergründen Ursachen für Wirbelstürme
Haben Hurrikane in den letzten Jahren wegen der von uns angestoßenen globalen Erwärmung zugenommen oder sind natürliche Klimaschwankungen dafür verantwortlich? Kieler Forscher vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) konnten mit Hilfe neuer Analysen von Korallendaten, direkter Messungen und Modellsimulationen zeigen, dass natürliche Klimaschwankungen auf Zeitskalen von Jahrzehnten einen wesentlichen Anteil an der Häufung von Hurrikanen in den letzten Jahren haben. Die Studie ist in der Januarausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Geology“ erschienen.
Gerade wenn extreme Wetterereignisse gehäuft auftreten, wird rasch der Mensch als Ursache ausgemacht. So war es auch 2005, als eine Rekordzahl von Hurrikanen die Karibik und die daran angrenzenden Regionen heimsuchte. Aber schon das folgende Jahr, in dem nur wenige solcher Ereignisse auftraten, zeigte, dass solche Schlüsse nicht immer richtig sind. Ursachenforschung und Nachweis sind schwierig, weil es keine hinreichend langen Messreihen gibt, um die natürlichen von den anthropogenen Klimaschwankungen zu unterscheiden. Dies ermöglichen nun erstmals Daten eines Korallenbohrkerns, den man vor der Küste Venezuelas gewonnen hat. Die im Kalkskelett der Koralle eingebauten Informationen werden genutzt, um Langzeit Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur und des Niederschlages im tropischen Atlantik zu rekonstruieren. Diese sind wiederum eng mit der Hurrikanaktivität verbunden.
„Korallen wachsen analog zu Bäumen: Jedes Jahr wird eine neue Kalkschicht angelegt“, so Prof. Wolf-Christian Dullo vom IFM-GEOMAR, Co-Autor der Studie. „Aus der Zusammensetzung des Kalks lassen sich Rückschlüsse auf die Wassertemperatur und den Niederschlag gewinnen.“, so Dullo weiter. „In Zusammenarbeit mit unseren Kollegen aus dem Bereich der Klimamodellierung konnten wir dann zeigen, dass die Daten aus der Koralle, welche bis ins Jahr 1918 zurückreichen, sowohl sehr gut mit den ‘echten‘ Temperaturmessungen übereinstimmen als auch mit den für die Hurrikanaktivität relevanten Kenngrößen“. „Im langzeitlichen Mittel gibt es zwar einen leichten Aufwärtstrend dieser Parameter, der aber von einer deutlichen langperiodischen natürlichen Schwankung überlagert ist, die wir ‚Atlantic Multidecadal Oscillation‘ nennen“, so Prof. Mojib Latif vom IFM-GEOMAR. „Diese weist in den letzten Jahren ein deutliches Maximum auf, sodass die jüngst beobachtete Zunahme der Wirbelsturmaktivität wohl eher natürlichen Ursprungs ist“, folgert Latif. Die in der Studie verwendeten Korallendaten reichen in Zeiträume zurück, wo es bisher noch keine verlässlichen Aufzeichnungen der Hurrikanaktivität gab und können dadurch dazu beitragen, die Ursachen solcher Schwankungen besser zu verstehen.
Weitere Informationen:
Originalarbeit:
Hetzinger, S., M. Pfeiffer, W.-C. Dullo, N. Keenlyside, M. Latif, and J. Zinke, 2008: Caribbean coral tracks Atlantic Multidecadal Oscillation and past hurricane activity. Geology, 36 (1), 11-14, doi: 10.1130/G24321A.1
Ansprechpartner
Prof. Dr. Christian Dullo, Tel. 0431 – 600 2215, cdullo@ifm-geomar.de
Dr. Andreas Villwock (Öffentlichkeitsarbeit), Tel. 0431 – 600 2802, avillwock@ifm-geomar.de