Trinkwasser dezentral aus Abwasser gewinnen
Laut UN werden in 15 Jahren 3 Mrd. Bewohner des blauen Planeten an Wassermangel leiden. Hintergrund ist, dass nur 2,5 % des Nasses, das die Erdoberfläche bedeckt, Süßwasser ist. Abhilfe schaffen will Anton Huber, Geschäftsführer der Scaut-Forschungsgesellschaft mbH. Sein Ansatz besteht darin, Abwässer dezentral zu Trinkwasser zu recyclen. Um den riesigen, globalen Markt erschließen zu können, benötigt der Ingenieur 10 Mio. € Beteiligungskapital.
Anton Huber macht zu Trinkwasser, was viele nicht mal metaphorisch in den Mund nehmen würden: Fäkalien und sonstige Abwässer.
Basis des innovativen Reinigungsverfahrens sind eine hochwertige biologische Reinigungsstufe und Ultrafiltrations-Membranen. Deren Poren messen lediglich 0,00002 mm im Durchmesser. Vorteil: Reinigungsaktive Bakterien passen nicht hindurch. Sie werden also im Klärsystem zurückgehalten. „Auf einen Liter der Biomasse verteilen sich idealerweise 15 g trockene Bakterienmasse“, so Huber. Das entspreche etwa der drei- bis fünffachen Konzentration in konventionellen Klärbecken mit Sedimentationstechnik. „Zu viele Bakterien sollten es aber auch nicht werden. Sonst verstopfen die Poren.“ Unkontrolliertes Wachstum verhindert Huber durch Kohlenstofflimitierung. „Wir halten mehr Bakterien als wir füttern können. Ein Teil der fleißigen Helfer verhungert und wird von Artgenossen gefressen.“
Die höhere Bakterienkonzentration hat mehrere Vorteile: Zunächst mal kann eine fünffach größere Zahl von Bakterien eine große Menge organische und anorganische Verunreinigungen zu Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser umwandeln. Das wiederum ermöglicht, die vorhandenen Klärbecken-Kapazitäten effektiver zu nutzen. Die Verweilzeit der Bakterien im Klärsystem wird vervielfacht. Damit bekommen die Einzeller die Gelegenheit, sich auch auf solche Nahrung einzustellen, die für sie bis dato unverdaulich war. „Sie fressen nach ein paar Tagen also auch das, was in konventionellen Anlagen zunächst noch im Wasser gelöst bleibt. Das können etwa Rückstände von Medikamenten wie Hormone sein“, so Huber. Am Ende des Reinigungsprozesses verbleibe viel sauberes Wasser und vergleichsweise wenig Überschussmasse. Letztere könne als Dünger oder Energierohstoff genutzt werden.
Weiterer positiver Nebeneffekt: Auch Viren, die eigentlich durch die Membranen durchschlüpfen könnten, werden nahezu vollständig bereits in der ersten Stufe zurückgehalten. „Da der Schlamm in unseren Becken stärker verdickt ist, als in konventionellen Anlagen, haften sich Viren vermehrt an die Biomasse. Dadurch werden sie dem Kreislauf ferngehalten“, erklärt Huber.
Dieser Nebeneffekt entlastet die zweite Stufe des Reinigungsprozesses. „Dort werden im Vergleich zu anderen Verfahren zusätzlich Ionenaustauscher eingesetzt. Außerdem werden spezielle Adsorbentien hinzugefügt. Das sind hochwertige Substanzen, an denen sich restliche Inhaltsstoffe wie biologisch nicht abbaubare Chemikalien binden und dadurch aus dem Wasserkreislauf entnommen werden.“
Die Anlagen können auch von Laien aufgebaut und bedient werden
Am Ende der zweiten Reinigungsstufe hat das Endprodukt bakteriologische Trinkwasserqualität. „Duschen und Geschirrspülen sind damit schon problemlos möglich“, unterstreicht Huber. Der im Haushalt benötigte geringe Wasseranteil, der als Nahrung aufgenommen wird, müsse höchstens noch von Stoffen befreit werden, die den Geschmack beeinflussen – etwa Natrium. Dies sei mit spezieller Umkehrosmose möglich. „Da die Konzentration dieser Stoffe sehr gering ist, reichen uns vier Bar Druck“, so Huber. Zum Vergleich: Zur Meerwasserentsalzung werden 60 Bar benötigt. Außerdem werden dabei viele Chemikalien eingesetzt, um die Umkehr-Osmose-Membranen von Rückständen frei zu halten.
Eine Besonderheit der Scaut-Anlagen ist deren einfache Konstruktion und Wartung. „Sie können auch von Laien aufgebaut und bedient werden.“ Zielgruppen sind also nicht nur Haushalte in Industrienationen, die nicht an ein öffentliches Kanalnetz angeschlossen sind, sondern auch Menschen in trockenen Regionen oder Permafrostgebieten, in denen Abwasser die einzige erschließbare Süßwasserquelle weit und breit ist oder wo die Trinkwasser mit Arsen oder Fluoriden belastet sind.
Allein in Europa könnten laut Huber rund 15 Mio. Anlagen zu Stückpreisen von rund 10 000 € verkauft werden. Um auch ins weiter entfernte Ausland liefern zu können, kooperiert seine vierköpfige Scaut-Forschungsgesellschaft mit einem Behälterhersteller, der Niederlassungen in 80 Ländern rund um den Globus unterhält. „Wir könnten große Teile der Weltbevölkerung erreichen“, ist der 61-Jährige überzeugt. „Dazu müssen wir unseren Personalstamm ausweiten und die Produktion erheblich ausbauen. Wir müssen die Stückkosten durch Serienproduktion senken. Die ganzheitliche und nachhaltige Technologie steht – und könnte kurzfristig umgesetzt werden.“ Der Ingenieur, der sich seit 1987 mit Abwassertechnologien beschäftigt, rechnet mit einem Kapitalbedarf von 10 Mio. €. Die bisherige Entwicklung wurde gefördert von einem Programm des Bundesforschungsministeriums. Der Beweis der Funktion wurde erbracht. S. ASCHE