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Vor dem Hintergrund kosmologischer und naturphilosophischer Betrachtungen erläutert er das Wechselspiel zwischen Wasser und akustischen Schwingungen.
Wenn schon der Schall jener berühmten Trompeten in der Lage war, die steinernen Mauern von Jericho zu bewegen oder gar zu erschüttern, wie eindringlich und tiefgreifend müssen dann erst die Wirkungen von Schwingungen, Tönen und Klängen, ja von Musik auf das so offen empfängliche, bewegliche, flüssig-flexible Element Wasser sein. Nicht ohne tieferen Grund wird daher in den Schöpfungsmythen vieler Völker der eigentliche Weltschöpfungsprozess zum einen in Bildern der allerersten Entstehung eines uranfänglichen, wasserähnlichen Urmediums aus Hauch, Atem, Klangschwingung oder Gesang eines vorweltlichen Geistes beschrieben (selbst die moderne Rede vom »Urknall« fasst das Ursprungsgeschehen im Begriff des Akustischen).
»Aksara-Brahman, Brahma im formlosen Bereich der reinen Gedanken, zeigte sich zum ersten Mal als goldener Embryo des Tons. Er war ein Laut, der durch das Nichts hinausschwang und auf sich selbst zurückkehrte. Als sich die Tonwellen kreuzten, entstanden Wasser und Wind, die miteinander spielend den nebelartigen Leib der Welt zu weben begannen
Anm. 1
Zum anderen werden dann die folgenden Gestaltungsvorgänge in Metaphern des Einwirkens von Luftbewegungen wie Wind und Sturm oder von Klang- und Wortschwingungen auf dieses ozeanisch allempfängliche Urelement geschildert. So ist es im Buch Genesis der »Geist Gottes«, wörtlich jedoch der »Windhauch«, der »Sturm« Gottes, der über dem »tohu wabohu«, dem »Wirrwarr« der formlosen Wasser weht und diesen durch das »und Gott sprach« Form und Gestalt verleiht - also durch den Hauch und Klang seiner Worte.
Bei näherem Hinsehen hat es sogar den Anschein, als könnte das grundlegende Gestaltungsprinzip der Natur, die rhythmisch gegliederte Welle, ihre Herkunft aus der voranfänglichen, immateriellen Realität (»Singularität« nennt sie die Astrophysik) nicht verbergen - ja, als wäre die innere Struktur des Phänomens Welle geradezu eine Chiffre der verborgenen Einheit des stofflich- verdichteten, ausgestalteten Weltzustandes und des formlosen, ungegenständlichen und daher von der Dingwelt her als »Nichts« und als »Leere« erscheinenden Urgrundes. Klingt doch schon in unserem Wort »Ton«, das sich aus dem griechischen »tonos« = »Spannung« herleitet, etwas von diesem bipolaren Wesen der Schwingungen, Wellen und Klänge an; nur wo zwei Aspekte wirklich getrennt und zugleich aufeinander bezogen sind, entsteht Spannung, aus der dann wiederum etwas Neues hervortreten kann wie die Töne aus gespannten Saiten. Auch wenn die physikalische Darstellung eines Schwingungsvorganges als Sinuskurve mit Wellenbergen und Wellentälern eine unmittelbar durchlaufende Kontinuität nahe legt, ist es fraglich, ob diese so wirklich besteht. Stellt doch, auf die Welt der Klänge und Töne bezogen, die kontinuierliche Sinuslinie lediglich das Kontinuum des Tonübertragenden Mediums Luft dar, wobei die Wellenberge die Luftverdichteten Phasen und die Wellentäler die Luftverdünnten repräsentieren. So konnte der Dirigent E. Ansermet sagen: »Diese Welle ist nicht der Ton (...), sondern der Zustand der Luft, wenn sie einen Ton überträgt. Die Luftwellen (...) sind also eine Metamorphose oder eine besondere Formung der kinetischen Energie, die den Luftmolekülen durch die Klangschwingung gegeben wird.
Anm. 2
Das »Urphänomen« (Goethe) aller Wellen- und Schwingungsvorgänge ist daher in einem rhythmischen Wechsel zweier polarer Phasen zu sehen: der Verdichtung und der Verdünnung. Geht man auf deren Ursprung zurück, z. B. auf eine tönende Trommelmembran oder einen Gong, so erkennt man, dass der grundlegende Vorgang in einem Hin- und Herschwingen gesehen werden muss. Das sich vorwölbende »Hin« bewirkt dabei einen Stoßdruck, der die Luft fortlaufend verdichtet und komprimiert, so dass beim Auftreffen dieser Stosswelle auf das Ohrtrommelfell dieses wie durch einen Gegenstand eingedrückt wird. Das zurückweichende »Her« dagegen hat eine rückläufige Sogwirkung, die einen Unterdrück erzeugt, die Luft ausdünnt, so dass ein freier, quasi leerer Zwischenraum entsteht, in den das Trommelfell dann auch wieder zurückschwingen kann.
Solche Überlegungen können für viele Strukturen und Gestaltungen in der Natur ein neues und vertieftes Verständnis eröffnen. Zu den vielen Beispielen wellen- und segmentartig sich wiederholender Bildungen gehört vor allem auch das Strukturprinzip der Wirbelsäule und des gesamten Knochenskeletts. Charakteristisch für dessen Aufbau ist der Wechsel von verdichteter, verfestigter, ausgehärteter, starrer Knochensubstanz wie z. B. die einzelnen Wirbelknochen, Fingerknochen, Ober- und Unterarmknochen einerseits und den knochenfreien, »leeren« Zwischenräumen, wie den Gelenken. Es ist die feste Knochensubstanz, die die Stabilität und Struktur des Ganzen gewährt - es ist aber allein der stoff-freie Leer-Raum, dieses ungegenständliche Nichts dazwischen, das den Lebewesen die freie Bewegung ermöglicht und damit letztendlich die Verwirklichung ihres Lebensimpulses, ihrer Existenz. Wie treffend formulierte es doch Lao-Tse in seinem elften Spruch:
»Dreissig Speichen treffen die Nabe, aber das Leere zwischen ihnen erwirkt das Wesen des Rades;
Aus Ton entstehen Töpfe, aber das Leere in ihnen wirkt das Wesen des Topfes;
Mauern mit Fenstern und Türen bilden das Haus, aber das Leere in ihnen erwirkt das Wesen des Hauses. Grundsätzlich: Das Stoffliche birgt Nutzbarkeit; Das Unstoffliche wirkt Wesenheit.«
Nach diesen kosmologischen und naturphilosophischen Betrachtungen wollen wir uns nun dem Wasser und seinem Wechselspiel mit Schwingungen und Klängen zuwenden.
Wasser, diese sonderbare, nicht mit Händen und starren Begriffen zu greifende, verwandlungsfähige, alles miteinander vermittelnde, fast schon selbst lebendige Substanz - aufgrund seiner flüssig-beweglichen Beschaffenheit besitzt es einen so hohen Grad an durchaus auch wörtlich zu verstehender Beeindruckbarkeit, dass es äußerst sensibel und empfänglich für die feinsten und differenziertesten Einwirkungen von Schwingungen, Klängen und Tönen ist. Diese enge Beziehung zur Welt der Klänge wird auch daran sichtbar, dass sich Schallwellen in Wasser um cm Vielfaches schneller, intensiver und weitreichender ausbreiten als im Medium Luft, weswegen es in unserer Ohrorganisation auch die wässrige Gehörflüssigkeit in der Gehörschnecke ist, die die eigentliche Verinnerlichung der akustischen Welt ermöglicht.
Nachdem der Physiker E. F. Chladni um 1800 zum ersten Mal sandbestreute Glasplatten mittels eines Geigenbogens zum Schwingen gebracht und dabei die nach ihm benannten »Chladnischen Klangfiguren« entdeckt und beschrieben hat, war es in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts der Schweizer Arzt Dr. Hans Jenny, der diesen Ansatz zum Ausgangspunkt weitreichender Untersuchungen machte und vor allem auch auf die Schwingungsphänomene von Flüssigkeiten ausweitete.
Anm. 3
Durch den Einsatz neuester Magnettechnologie ist es nun gelungen, die direkte Übermittlung von Schwingungen und Klängen in des Medium Wasser so zu verfeinern, dass verschiedenste Schwingungsfrequenzen und sogar komplexe musikalische Klangspektren in differenzierteste Wasser-Wellenbewegungen transformiert und durch besondere optische Techniken sichtbar gemacht und damit auch fotografiert und gefilmt werden können.
Je nach Beschaffenheit des Wassers (Temperatur, Beimischungen usw.) und der Form seiner Einfassung einerseits und der Tonhöhe, Klangfarbe und Lautstärke andererseits entstehen verschiedenste Wellenstrukturen, die die hier beispielhaft abgebildeten Bewegungsbilder und Muster entstehen lassen. Auffallend ist die klare geometrische Ordnung der Wasserschwingungen, die trotz anhaltender Tonschwingung eine feststehende Struktur bilden.
Besonders interessant sind Wasser-Klang-Bilder von Musik. Auch wenn der lebendige Fluss der Musik sich eigentlich und zu Recht gegen das An- und Festgehaltene sträubt, so tun diese Klangbilder dem Musikalischen keine Gewalt an, sondern bringen durchaus etwas von der Bewegtheit und Spannung der Welt der Töne zum Ausdruck.
Anmerkungen
1 Ausführliche Darlegung dieser Thematik in: Nicklaus, Hans-Georg (1993), Die Maschine des Himmels. Zur Kosmologie und Ästhetik des Klangs, München
2 Ansermet, E.(1985), Die Grundlagen der Musik, München
3 Jenny, Hans (1967 und 1972), Kymatik I und II, Basel. Außerdem entwickelte in den 70er Jahren Manfred Kage sein »Audioskop« zur Umwandlung von Schallwellen in Flüssigkeilsbewegungen mit Projektionsmöglichkeit.
© Photo u. Copyright Autor: Alexander Lauterwasser
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